Barrierefreier Urlaub ist mehr als ein Trend
Was Inklusion für den Tourismus bedeutet
Barrierefreiheit ist kein Sonderwunsch, sondern ein zentraler Baustein von nachhaltigem Tourismus. Wo Inklusion, Komfort und Verantwortung zusammenspielen, profitiert jeder vom Reisen.
Reisen für alle zugänglich zu machen, gewinnt in der Tourismusbranche zunehmend an Bedeutung. Barrierefreiheit ist längst kein Randthema mehr: In der EU leben laut aktuellen Zahlen des Europäischen Rates rund 101 Millionen Menschen mit Behinderung. Jeder fünfte Mensch in unserer Gesellschaft ist auf barrierefreie Angebote angewiesen, darunter auch ältere oder vorübergehend verletzte Menschen sowie Eltern mit Kinderwagen.
Doch Barrierefreiheit bedeutet mehr als Rampen und breite Türen. „Es geht darum, dass jeder Mensch alle Einrichtungen selbstständig und ohne große Anstrengung nutzen kann“, erklärt
Gabriel Toggenburg, Menschenrechtsexperte und Gastgeber im Haus Himmelfahrt am Ritten.
Wie herausfordernd der Alltag im Rollstuhl sein kann, weiß Gabriel Toggenburg aus nächster Nähe, denn sowohl seine Mutter als auch sein Bruder waren darauf angewiesen. Diese Erfahrungen prägten die Planung des Haus Himmelfahrt, das er gemeinsam mit einer Architektin entwickelte, die selbst Rollstuhlfahrerin und Expertin für barrierefreies Bauen ist.
Als EU-Beamter engagiert sich Toggenburg seit über 20 Jahren für Menschenrechte – ein Anliegen, das auch in seinem touristischen Projekt sichtbar wird. Entstanden ist ein barrierefreies Urlaubs- und Seminarhaus in einem denkmalgeschützten Gebäude mit vier Ferienwohnungen, Entspannungsterrasse und barrierefreiem Wellnessbereich.
Insgesamt 36 konkrete Maßnahmen wurden umgesetzt: von unterfahrbaren Küchenzeilen und schwellenlosen Übergängen bis zur rollstuhlgerechten Sauna und Pflegebetten. „Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne Barrierefreiheit. Und diese darf sichtbar und ästhetisch sein“, betont Toggenburg.
Für ihn bilden Tradition, Nachhaltigkeit und Barrierefreiheit die drei Säulen im Haus Himmelfahrt – und zeigen, dass verantwortungsvolles Bauen sowohl inklusiv als auch stilvoll sein kann. Barrierefreiheit lohnt sich – auch wirtschaftlich.
ans-Peter Schraffl, Gründer der Initiative Monorolly.com, die Skigebiete auf ihre Barrierefreiheit prüft, kennt die Zahlen: „Sieben Prozent der Betroffenen haben schon einmal
auf eine Reise verzichtet, weil barrierefreie Angebote fehlten. 48 Prozent würden häufiger verreisen, wenn es mehr passende Möglichkeiten gäbe.“ Außerdem reisen Menschen mit Beeinträchtigung oft in Begleitung und bleiben im Schnitt länger – ein Vorteil für die regionale Wertschöpfung.
Wichtiger als Perfektion ist dabei Glaubwürdigkeit. „Touristische Anbieter müssen ehrlich und zielgruppengerecht kommunizieren.
Niemand erwartet das Unmögliche, aber Verlässlichkeit ist entscheidend“, betont Schraffl. Auch Gabriel Toggenburg unterstreicht dies: „Es gibt einen Kapitalfehler, den Menschen mit
Beeinträchtigung nicht verzeihen – wenn etwas als barrierefrei beworben wird und es am Ende nicht ist.“
Nachhaltiger Tourismus bedeutet ein inklusives Menschenbild. Barrierefreiheit ist ein zentraler Bestandteil davon. Jedoch darf sie nicht an der Haustür enden. „Es
bräuchte noch mehr barrierefreie Gastbetriebe, die sich entsprechend auch für andere Infrastrukturen stark machen“, so Toggenburg. Nur im Zusammenspiel mit Gemeinden, Mobilität und Freizeitangeboten wird ein Urlaub wirklich barrierefrei.
Der demografische Wandel erhöht den Bedarf an barrierefreien Angeboten. Unsere Gesellschaft altert und Mobilitätseinschränkungen nehmen zu. Besonders im Neubau gilt Barrierefreiheit daher zunehmend als zukunftsweisender Standard: Denn was heute als Komfort für einige gilt, wird morgen zur Voraussetzung für viele.